«Hängende Gärten», artwil 2014, Kunst im öff. Raum, obere Bahnhofstrasse, Wil
Hängende Gärten Gärten gibt es an der Oberen Bahnhofstrasse in Wil heute keine mehr, doch bis in die 1960er-Jahre prägten Vorgärten vor einigen der nunmehr abgerissenen Wohn- und Geschäftshäuser das Bild des dortigen Stadtraums. Doris Naef bringt die sommerliche Blumen- pracht mit ihren wehenden «Rabatten» temporär zurück. Ausgehend von Nahaufnahmen des Blütendickichts in ihrem eigenen Garten sowie den floralen Motiven der mittelalterlichen Tapisserien in der Rockefeller Sammlung (Cloisters, New York) hat sie eine faszinierende Bildverfremdung vorgenommen und die Naturreminiszenzen zu Farbmosaiken stilisiert. Aus unmittelbarer Nähe betrachtet, sind die Motive nicht mehr lesbar, aus einiger Distanz hingegen verbinden sich die Bildsplitter optisch zu einem erkennbaren Sujet und lassen die ursprüngliche Garten-Fülle wieder erahnen. Gärten nicht nur in der Horizontalen anzulegen, sondern Pflanzen auch in der Vertikalen grossflächig anzusiedeln, galt schon in der Antike als Vollendung der Gartenkunst. Davon zeugen die Berichte über die Gartenanlagen in Babylon. Diese als eines der sieben Weltwunder gewürdigten hängenden Gärten von Semiramis haben denn auch die Künstlerin zum Titel ihres Werkes inspiriert. Doris Naef bringt mit ihren «Hangings» eine ähnlich exotische Note in den Strassenraum und setzt der Strenge der beidseitigen Gebäudekomplexe eine duftige wie üppige Farbkaskade entgegen. Gabrielle Obrist